Die vom Rat der Stadt Köln am 30. September 2014 beschlossene Neuauszählung aller 1024 Stimmbezirke ist unzulässig. Im Stimmbezirk 20874 des Wahlbezirks 14 (Rodenkirchen II Weiß Sürth) muss noch einmal gezählt und daraufhin das Ergebnis der Wahl zum Rat der Stadt Köln neu festgestellt werden. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit zwei heute verkündeten Urteilen entschieden.

Am 25. Mai 2014 fanden in Nordrhein-Westfalen landesweit Kommunalwahlen statt. Auch in Köln wurde turnusgemäß ein neuer Stadtrat gewählt. An der Richtigkeit des vom Wahlausschuss am 30. Mai 2014 festgestellten Wahlergebnisses wurden Zweifel laut. Im politischen Raum wie in der Öffentlichkeit wurde die Frage einer kompletten oder doch nur teilweisen Überprüfung des Wahlergebnisses kontrovers diskutiert. Es kam zu Einsprüchen gegen die Wahl u.a. mit dem Anliegen, im Stimmbezirk 20874 die Stimmen noch einmal zu zählen. Hier wurde von statistischen Auffälligkeiten auf einen Übertragungsfehler geschlossen. Die Stimmen für die CDU-Bewerberin seien fälschlich als Stimmen für die SPD-Bewerberin eingetragen worden und umgekehrt. Dadurch habe die SPD anstelle der CDU ein weiteres Mandat aus der Reserveliste erhalten. Bei dem Stimmbezirk 20874 handelt es sich um einen Briefwahlstimmbezirk im Wahlbezirk 14 (Rodenkirchen II Weiß Sürth). Mit Beschlüssen vom 30. September 2014 wies der neue Rat alle Einsprüche gegen die Wahl zurück und beauftragte seinerseits die Stadtverwaltung, das Wahlergebnis komplett zu überprüfen und alle 1024 Stimmbezirke erneut auszuzählen.

1. Neuauszählung aller 1024 Stimmbezirke ist unzulässig (Az. 4 K 6708/14)

Der Oberbürgermeister beanstandete den Ratsbeschluss zur Neuauszählung. Gleichwohl hielt der Rat an seinem Beschluss fest. Daraufhin hob die beklagte Bezirksregierung Köln als Aufsichtsbehörde den Ratsbeschluss durch Verfügung vom 6. November 2014 auf. Der Rat beschloss, gegen die Aufhebungsverfügung zu klagen. Die Klage ging am 4. Dezember 2014 beim Verwaltungsgericht Köln ein. Aufgrund der heutigen mündlichen Verhandlung hat das Gericht durch Urteil für Recht erkannt, die Klage gegen die Aufhebungsverfügung abzuweisen.

Hierzu führte die Präsidentin des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Urteilsbegründung im Wesentlichen aus:

Zu Recht habe die beklagte Bezirksregierung den Ratsbeschluss, die Stadtverwaltung mit der erneuten Auszählung aller 1024 Stimmbezirke zu beauftragen, aufgehoben. Der Ratsbeschluss verletze den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. Die Öffentlichkeit der Wahl sei Grundvoraussetzung für eine demokratische politische Willensbildung. Die grundsätzlich gebotene Öffentlichkeit im Wahlverfahren umfasse auch die Ermittlung des Wahlergebnisses durch die dafür gesetzlich bestimmten Wahlorgane. Die vom Rat mit der Neuauszählung beauftragte Verwaltung gehöre nicht zu den im Kommunalwahlgesetz gesetzlich bestimmten Wahlorganen. Der Ratsbeschluss enthalte keine Regelung, um bei der Neuauszählung die Öffentlichkeit zu wahren. Der Verwaltung seien keine Maßgaben für die Neuauszählung mit auf den Weg gegeben worden. Demgegenüber sei im Kommunalwahlgesetz bestimmt, dass die (Neu-)Feststellung des Wahlergebnisses dem Wahlausschuss obliege, dass dieser in öffentlicher Sitzung entscheide und dass er nur berechtigt sei, Rechenfehler zu berichtigen. Handle der Rat nicht gemäß den Vorschriften zur Wahlprüfung nach dem Kommunalwahlgesetz, sei die beklagte Bezirksregierung befugt, Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen.

2. Im Stimmbezirk 20874 muss noch einmal gezählt werden (Az. 4 K 7076/14)

Nach Zurückweisung der Einsprüche durch Beschluss vom 30. September 2014 erklärte der Rat in seiner Sitzung am 13. November 2014 die Ratswahl für gültig. Mit ihren am 18. Dezember 2014 beim Verwaltungsgericht Köln erhobenen Klagen verfolgten der Vorsitzende des Kreisvorstandes des CDU-Kreisverbandes Bernd Petelkau sowie der Kreisvorstand selbst ihr Begehren weiter, das Wahlergebnis unter rechnerischer Berichtigung des Ergebnisses im Stimmbezirk 20874 neu feststellen zu lassen. Aufgrund der heutigen mündlichen Verhandlung hat das Gericht durch Urteil für Recht erkannt, den Rat der Stadt Köln zu verpflichten, die Feststellung des Wahlergebnisses für ungültig zu erklären, sie aufzuheben und die Neufeststellung mit der Maßgabe anzuordnen, dass ein gegenüber der ursprünglichen Feststellung vom 30. Mai 2014 verändertes Wahlergebnis nur aufgrund von rechnerischen Berichtigungen im Stimmbezirk 20874 festgestellt werden darf.

Hierzu führte die Präsidentin des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Urteilsbegründung im Wesentlichen aus:

Zu Unrecht habe der Rat die Einsprüche zurückgewiesen. Die Kläger hätten das Wahlergebnis im Stimmbezirk 20874 nicht mit bloßen Vermutungen ins Blaue hinein angegriffen. Vielmehr hätte ihr Vorbringen den Wahlprüfungsorganen genügend Anlass gegeben, den Sachverhalt von Amts wegen weiter zu erforschen. Diese Prüfung sei nunmehr vom Gericht durchgeführt worden. Dadurch seien die in der Ergänzung zur Briefwahlniederschrift im Stimmbezirk 20874 vorhandenen Fehler aufgefallen und hätten den Verdacht verstärkt, dass dem Wahlvorstand im Stimmbezirk 20874 für den Ausgang der Wahl bedeutsame Fehler unterlaufen seien. Da auch sonst alles, insbesondere eine vertiefte wahlstatistische Auswertung für eine Vertauschung der Zahl der Stimmen für die CDU- und die SPD-Bewerberin spreche, sei hier dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl (one person – one vote) mehr Gewicht zu geben als dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. Sei das Ergebnis im Stimmbezirk 20874 unzutreffend festgestellt worden, werde es aber gleichwohl nicht neu festgestellt, sei der Grundsatz der Gleichheit der Wahl dauerhaft verletzt. Sei das Ergebnis im Stimmbezirk 20874 zutreffend festgestellt worden, werde es aber gleichwohl neu festgestellt, sei der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl zwar verletzt, jedoch nur vorübergehend. Denn die Neufeststellung ihrerseits sei unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit durchzuführen. Ohne Berichtigung etwaiger Zählfehler durch eine Neufeststellung bliebe hingegen der Grundsatz der Gleichheit der Wahl dauerhaft beschädigt. Das wiege schwerer und gebe für das Gericht den Ausschlag, die Neufeststellung des Wahlergebnisses anzuordnen. Die Neufeststellung unterliege dabei der Maßgabe, dass ein gegenüber der ursprünglichen Feststellung verändertes Wahlergebnis nur aufgrund von rechnerischen Berichtigungen im Stimmbezirk 20874 festgestellt werden dürfe.

Gegen die Urteile kann innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster gestellt werden.

Az: 4 K 6708/14; 4 K 7076/14

Auszüge aus dem Gesetz über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen (Kommunalwahlgesetz – KWahlG)

§ 39 Abs 1 KWahlG

(1) Gegen die Gültigkeit der Wahl können

jeder Wahlberechtigte des Wahlgebiets,die für das Wahlgebiet zuständige Leitung solcher Parteien und Wählergruppen, die an der Wahl teilgenommen haben, sowiedie Aufsichtsbehörde

binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses Einspruch erheben, wenn sie eine Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl gemäß § 40 Abs. 1 Buchstaben a bis c für erforderlich halten. Der Einspruch ist bei dem Wahlleiter schriftlich einzureichen oder mündlich zur Niederschrift zu erklären.

(2) ...

§ 40 Abs. 1 KWahlG

(1) Die neue Vertretung hat nach Vorprüfung durch einen hierfür gewählten Ausschuß unverzüglich über die Einsprüche sowie über die Gültigkeit der Wahl von Amts wegen in folgender Weise zu beschließen:

a) Wird die Wahl wegen mangelnder Wählbarkeit eines Vertreters für ungültig erachtet, so ist das Ausscheiden dieses Vertreters anzuordnen.

b) Wird festgestellt, daß bei der Vorbereitung der Wahl oder bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die im jeweils vorliegenden Einzelfall auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluß gewesen sein können, so ist die Wahl in dem aus § 42 Abs. 1 ersichtlichen Umfang für ungültig zu erklären und dementsprechend eine Wiederholungswahl anzuordnen (§ 42).

c) Wird die Feststellung des Wahlergebnisses für ungültig erklärt, so ist sie aufzuheben und eine Neufeststellung anzuordnen (§ 43). Ist die Neufeststellung nicht möglich, weil die Wahlunterlagen verlorengegangen sind oder wesentliche Mängel aufweisen, und kann dies im jeweils vorliegenden Einzelfall auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluß sein, so gilt Buchstabe b entsprechend.

d) Wird festgestellt, daß keiner der unter Buchstaben a bis c genannten Fälle vorliegt, so ist die Wahl für gültig zu erklären.

(2) ...

(3) ...

(4) ...

§ 43 KWahlG

(1) Ist der Beschluß über die Neufeststellung des Wahlergebnisses gemäß § 40 Abs. 1 Buchstabe c unanfechtbar geworden oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren rechtskräftig bestätigt, so hat der von der neuen Vertretung gewählte Wahlausschuß das Ergebnis neu festzustellen. Er ist hierbei an die Grundsätze der Entscheidung gemäß Satz 1 gebunden.

(2) Das Wahlergebnis ist vom Wahlleiter neu bekanntzumachen. Auf seine Nachprüfung finden die Vorschriften der §§ 39 bis 41 Anwendung.